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„1st Favela on duty“ in Rio de Janeiro

„Wir fahren jetzt durch eine Favela um zur CORE (Coordenadoria de Operações e Recursos Especiais) zu gelangen“ sagte der mit einer Pumpgun und seiner dienstlichen Pistole bewaffnete Vizepräsident der IPA Brasilien, Diogo Deleuze. „Wenn wir beschossen werden, schießen wir zwar zurück, aber unsere Feuerkraft ist bei weitem nicht genug. Sucht euch daher am besten Deckung hinter einem Motorblock eines geparkten Fahrzeuges und jeder ist sich selbst der Nächste.“

Das war die Einweisung à la Rio de Janeiro. Zu dem Zeitpunkt befanden wir uns schon vier Tage vor Ort und hatten dennoch keine Vorstellung, was uns erwartet.

Ziel des Programmes war es, 16 ausländischen Polizisten (aus Spanien, Belgien, den Niederlanden und Deutschland) die örtliche, einzigartige Polizeiarbeit in und um die Favelas realistisch darzustellen, Einblicke zu ermöglichen und in Austausch zu geraten.

Die Ausschreibung fand zwar weltweit statt; viele Bewerbungen für das erste Mal „Favela on duty“ blieben jedoch aus.

Unterstützt wurde das Programm von örtlichen IPA Mitgliedern und deren Familien aber vor allem auch von den Spezialeinheiten CORE (Policia Civil) und BOPE (Batalhão de Operações Policiais Especiais; Policia Militar).

Geprägt war dieses Event von der ersten Sekunde an durch Verbundenheit, Offenheit und Teamspirit. Die Besonderheit war schon am Tag eins zu spüren- bei einer Willkommensparty mit typisch brasilianischen Tapiokapfannkuchen, Caipirinhas und einem Überraschungsauftritt einer bekannten Sambaschule. Sogar der niederländische und belgische Konsul waren vor Ort- die deutsche Vertretung wurde allerdings vergebens gesucht.

Dieses Event gab uns nicht nur die Möglichkeit eines internen Kennenlernens; auch Mitglieder der CORE und BOPE sowie deren Familienangehörigen waren vor Ort.

Um einen besseren Überblick zu erhalten, ging es anfangs hoch hinaus in die Luft- mit einem Hubschrauberflug konnten wir eine erste Lageaufklärung betreiben. In den darauffolgenden Tagen besichtigten wir unterschiedlichste Polizeieinheiten und konnten in die verschiedensten Dienstalltage hineinschnuppern. Der Fokus lag auf dem Kennenlernen der Arbeitsweise der Spezialeinheiten CORE (und deren dazugehörigen Einheiten wie z.B. die Hundestaffel, die Hubschrauberstaffel etc.) und BOPE. Bei beiden verbrachten wir viel Zeit und wurden mit ausnahmslos offenen Armen und Interesse empfangen.

In Rio de Janeiro (oder auch im Polizeijargon „Hell de Janeiro“) scheint es eine Kleinigkeit zu sein als oberster Vorgesetzter ausländische Polizisten zu begrüßen und die Einheit vorzustellen. Auch bei kritischen Fragen schreckten sie nicht zurück, sondern gaben stattdessen reflektierte Antworten, aus denen zu erkennen war, dass sich jeder Einzelne mit den örtlich sehr speziellen Themen auseinandersetzt und für sich bewertet.

Vom Chef der BAC (Batalhão de Ações com Cães, Hundestaffel) über den Chef des Bomb Squats bis zu den Chefs der CORE und BOPE und des Staatssekretärs für innere Sicherheit- alle waren involviert, nahmen sich Zeit und gewährten uns einmalige Einblicke.

So konnten wir beispielsweise in einer nachgebauten Favela an der Acadepol (Polizeiakademie der Policia Civil) das taktische Vorgehen üben und mit der BOPE und BAC gemeinsam durch die Favela Tavares Bastos streifen.

Die Spontanität und Freundlichkeit der brasilianischen Polizisten war erstklassig und beispiellos; uns wurde u.a. ungeplant außerhalb des Programmes noch ein Besuch bei der CHOQUE (Bereitschaftspolizei) inklusiver spontaner Vorführung der Arbeitsweise des neu aufgestellten Batalháo Táctico de Motorciclistas (BTM) ermöglicht.

Doch neben allem Polizeibezug durfte auch die brasilianische Kultur nicht zu kurz kommen. Neben der sambatanzenden Begrüßung sahen wir uns auch unterschiedlichste Touristenattraktionen wie z.B. den Zuckerhut oder die Christusstatue an, gingen in eine klassische Churrascaria, wanderten zu einem atemberaubenden Aussichtspunkt oder genossen den Sonnenuntergang an der Copacabana.

Das Event ging mit einem solchen Knall zu Ende, wie es auch begonnen hat. Bei einer festlichen Zeremonie wurden nicht nur wir Teilnehmer ausgezeichnet und geehrt. Auch uns oblag die große Ehre, ausgewählte brasilianische Polizisten für ihre heldenhaften Taten unterschiedlichster Art, auszuzeichnen.

Eine rührende Geste und ein großes Zeichen beidseitiger Anerkennung.

Abschließend kann gesagt werden, dass dieses einzigartige, aber auch anspruchsvolle Programm sehr ergreifende, augenöffnende Einblicke in eine gänzlich andere Welt gewährt hat.

Begleitet von einem Gefühl von Ehrfurcht, Respekt und Stolz aber auch mit Fassungslosigkeit, gegenüber des in den Favelas herrschenden Kriegszustandes zwischen Kartell und Polizei, flogen wir zurück.

Eine Hommage und den größten Respekt an all die unter uns, die jeden Tag ihr Leben riskieren, um für eine sicherere Welt zu kämpfen.

Vielen Dank für die unglaubliche und nicht vergleichbare Gastfreundschaft.

Nita Kroll, IPA Hamburg