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Hospitationsbericht Sarajevo

Hallo liebe IPA-Freude,

wir sind Marco, Moni, Thomas und Jo aus Baden-Württemberg und absolvieren derzeit das Masterstudium an der Deutschen Hochschule der Polizei (DHPol). In diesem Rahmen ist eine verpflichtende Auslandsdienstreise in Form einer Studienfahrt oder einer Einzelhospitation vorgesehen, um andere Polizeien und demokratische Staatssysteme kennenzulernen. Die Wahl des Reiseziels sowie die Planung und Durchführung erfolgt dabei innerhalb der gesetzten Bedingungen selbstständig.

Wir haben uns dazu entschlossen nach Sarajevo zu reisen. Die Gründe: Zum einen habe ich familiäre Wurzeln in der Region, kenne mich örtlich aus und konnte unkompliziert eine private Unterkunft organisieren. Zum anderen erhofften wir uns spannende Einblicke in die Aufgaben und den Aufbau der dortigen Polizei, der mitunter durch die mehrjährige Polizeimission EUPM unter deutscher Beteiligung geprägt wurde. Leider hatten wir zunächst keine Kontaktperson vor Ort, mit der wir unseren Aufenthalt hätten abstimmen können. Glücklicherweise konnten wir aber vom internationalen Netzwerk der IPA profitieren und so Muamer Klino, den Präsidenten der Verbindungsstelle in Sarajevo, als Ansprechpartner gewinnen. Bei offenen und ungezwungenen Vorabsprachen stellten wir die letzten Weichen: Die Reise konnte beginnen.

Obwohl wir wegen der Flugverbindungen am Montag und Freitag zeitlich eingeschränkt waren, durften wir dafür von Dienstag bis Donnerstag drei sehr spannende Tage in der geschichtsträchtigen Stadt, in der Orient und Okzident aufeinandertreffen, erleben.

Am ersten Hospitationstag trafen wir Muamer. Er arbeitet in der Direktion für die Koordinierung der Polizeibehörden von Bosnien und Herzegowina in Sarajevo und ist dort u. a. im Bereich Personenschutz tätig. Nach einer freundschaftlichen Begrüßung erklärte er uns gemeinsam mit seinem Vorgesetzten die komplexe Struktur der Polizeien in Bosnien und die Rolle seiner Dienststelle. An dieser Stelle sei erwähnt, dass sich das Land in zwei Entitäten, die Föderation Bosnien und Herzegowina sowie die Republika Srpska (RS) gliedert. Daneben existiert der Bezirk Brčko, eine Sonderverwaltungszone. Jede der Verwaltungseinheiten unterhält eigene Polizeieinheiten auf unterschiedlichen Verwaltungsebenen. Während die RS zentral organisiert ist, unterteilt sich die Föderation in 10 Kantone mit jeweils eigenen Innenministerien und nachgeordneten Polizeibehörden. Daneben existiert eine Art Bundespolizei auf Föderationsebene ohne Weisungsbefugnis gegenüber den kantonalen Polizeien. Infolge der aus dem Bosnienkonflikt gewachsenen politischen und ethnischen Spannungen gibt es ein Gesetz, das die vorbehaltslose Zusammenarbeit zwischen den Sicherheitsbehörden gewährleistet. Muamer und sein Vorgesetzter bestätigten uns gegenüber, dass dies auf Arbeitsebene auch reibungslos funktioniere. Neben der klassischen und durchaus interessanten ‚Kästchenkunde‘ erläuterte uns Muamer darüber hinaus das Engagement der IPA am eindrucksvollen Beispiel der Fluthilfe nach erheblichen Überschwemmungen in Teilen des Landes Anfang Oktober. Ob praktische Hilfeleistungen direkt vor Ort oder das Sammeln von Sach- und Geldspenden – die Unterstützung war groß. Nachdem Muamer am Folgetag in dieser Sache einen Fernsehrauftritt hatte, konnte er uns bei der Hospitation nicht mehr persönlich begleiten, stand uns bei Rückfragen aber jederzeit telefonisch zur Verfügung und vermittelte uns die entsprechenden Kontakte.

Tag zwei startete morgens bei der Spezialeinheit der Föderalen Polizeidirektion (vergleichbar mit dem SEK bzw. der GSG9). Nachdem unser Auto an der Pforte auf Sprengmittel untersucht wurde, führte uns „Ramo“ in einen Besprechungsraum und erklärte uns den Aufbau seiner Einheit, die bereits vor dem Bosnienkrieg bestand und mittlerweile sogar über vier Beamtinnen verfügt. Anschließend führte er uns durch die Dienststelle, wo wir die Möglichkeit hatten, den Beamten beim Kampfsport- und Taktiktraining zuzusehen. Ramo wurde nicht müde zu betonen, dass er viel von der Deutschen Polizei hält und viele Taktiken von dort in seiner Einheit implementiert habe. Das Highlight des Besuches war neben einer Vorführung der Hundestaffel, die kurze Fahrt in einem schwer gepanzerten Sonderwagen auf dem Polizeigelände. Anschließend trafen wir Prof. Dr. Mirza Smajic an der politikwissenschaftlichen Fakultät der Universität Sarajevo. Er war selbst einst Polizeibeamter, ist IPA-Mitglied und erklärte uns die Ausbildung der föderalen Polizei. Nach amerikanischem Vorbild dauert die Ausbildung für den regulären Polizeidienst weniger als ein Jahr. Für die Offizierslaufbahnen muss zumindest ein Bachelorstudium mit politik- und sozialwissenschaftlichem Schwerpunkt vorgewiesen werden, das von den Beamten berufsbegleitend an einer normalen Universität oder Hochschule absolviert wird.

Am letzten Tag unserer Hospitation besuchten wir eine Dienststelle der Gerichtspolizei, die es in dieser Form in Deutschland nicht gibt. Der Kommandant der zugehörigen Spezialeinheit, Edis Skopak, referierte zu deren Tätigkeitsfeld, das im Wesentlichen den Gefangenentransport, den Gerichtsschutz sowie den Personenschutz gefährdeter Staatsanwälte und Richter umfasst. Seine Ausführungen verdeutlichte er anhand der internen Dokumentation einer Vollübung der Einheit: In dem Szenario geriet ein Transportkonvoi der Einheit mit Schutzperson in einem Autobahntunnel in einen bewaffneten Hinterhalt. Nach einem Schusswechsel mit Verletzten auf beiden Seiten fing das Täterfahrzeug zudem Feuer. In diesem Rahmen wurde nicht nur die Evakuierung der Schutzperson, sondern auch die medizinische Erstversorgung sowie Zusammenarbeit mit anderen BOS erprobt. Letztlich grenzte Edis noch die gerichtspolizeilichen Aufgaben zu denen der Gefängnispolizei (Wachbeamte der Vollzugsanstalten) ab. Nach dem obligatorischen Austausch von Patches und Handynummern sowie der Übergabe unserer Gastgeschenke, endete auch der letzte Dienststellenbesuch in Sarajevo.

Nicht nur dienstlich, auch im Rahmenprogramm hatte die Reise ihre Reize. So nutzten wir die freie Zeit rund um die offiziellen Termine für etwas Sightseeing: Die Altstadt, in der man schnell erkennt, warum Sarajevo auch „das kleine Jerusalem Europas“ genannt wird, die Lateinerbrücke – Tatort des Attentats vom 28. Juni 1914 oder das malerische Umland mit geheimnisvollen „Lost Places“, wie die Ruinen der Skischanzen oder der Bobbahn der Olympischen Winterspiele 1984, lassen staunen und regen zum Nachdenken an.

Wir sind nun um einige, spannende Eindrücke reicher und freuen uns über die neu geknüpften Kontakte. Mit Blick auf den Zweck und unsere Erwartung an den Aufenthalt, ziehen wir ein klares Fazit: Ziel erreicht.