International Police Association – Deutschland

Auf den Spuren der British Police: Ein Praktikum voller neuer Perspektiven

Im Rahmen meines dreiwöchigen auswärtigen Praktikums in London erhielt ich intensive Einblicke in die Struktur und Arbeitsweise der britischen Polizei. Als Studierende der Hessischen Polizei war es für mich besonders wertvoll, die britischen Ansätze mit den in Deutschland und insbesondere in Hessen bekannten Strukturen zu vergleichen. Von Beginn an wurde ich herzlich von meinen Ansprechpartnern verschiedenster Polizeibehörden empfangen, was mir nicht nur einen fachlichen, sondern auch persönlichen Zugang zu einem für mich neuen Polizeisystem eröffnete.

Bereits zu Beginn meines Aufenthalts wurde mir bewusst, wie unterschiedlich die Polizeistrukturen beider Länder angelegt sind. Während Deutschland über ein föderales System mit sechzehn Landespolizeien sowie Bundespolizei und BKA verfügt, ist das britische System in Territorial Police Forces unterteilt: 43 in England und Wales, ergänzt durch überregionale Spezialeinheiten wie die British Transport Police (BTP), die Civil Nuclear
Constabulary oder den National Police Air Service. Diese nationale Aufteilung spezialisierter Aufgaben ist wesentlich deutlicher ausgeprägt als in Deutschland und führt dazu, dass bestimmte Themenbereiche, etwa Bahnverkehr, Luftunterstützung oder kritische Infrastruktur, institutionell eigenständig geführt werden.

Hinzu kommen Unterschiede in Ausbildung und Karrierewegen. Während der Polizeidienst in Hessen ausschließlich über ein dreijähriges Studium an der HöMS erfolgt, existieren im Vereinigten Königreich mehrere Einstiegswege, die vom dualen Studium über spezielle Programme für Hochschulabsolventen bis hin zu kompakten Grundausbildungen reichen. Für mich wirkte dieses System flexibler und zugänglicher, jedoch auch weniger vereinheitlicht. Gleichzeitig fiel mir der starke Fokus auf frühe Spezialisierungen auf, etwa zum Detective
Constable, was in Deutschland erst deutlich später im Berufsweg möglich ist. Auch die unterschiedlichen rechtlichen Grundlagen beeinflussen die Polizeiarbeit stark. Das deutsche System beruht auf kodifiziertem Recht und dem Legalitätsprinzip, das die Polizei verpflichtet, bei jedem Anfangsverdacht tätig zu werden. In England hingegen ist das Strafrecht ein Zusammenspiel aus Statute Law und Case Law, also geschriebenem Gesetz und
richterlichem Präzedenzrecht. Dies führt zu einem größeren Ermessensspielraum für die Polizei, etwa bei der Entscheidung, ob Straftaten zur Anzeige gebracht oder durch Maßnahmen wie Cautions oder Community Resolutions erledigt werden. Dieser pragmatische Ansatz ermöglicht flexible Lösungen, setzt aber gleichzeitig ein hohes Maß an Verantwortungsbewusstsein der Polizeibeamten voraus.

Meine praktischen Erfahrungen begannen mit dem Besuch der Thames Valley Police in Aylesbury. Besonders beeindruckte mich die Organisation der Major Crime Unit, die aus hochspezialisierten Teams für CCTV-Auswertung, digitale Forensik, Intelligence oder Asservateverwaltung besteht. Damit arbeitet die MCU fast wie eine eigene kleine Polizeibehörde innerhalb der Behörde, äußerst fokussiert und arbeitsteilig. Auch die klare Unterscheidung zwischen ABH- und GBH-Delikten sowie die damit verbundene Aufteilung der Zuständigkeiten zwischen uniformierter Polizei und kriminalpolizeilichem Dienst wirkten auf mich stärker formalisiert als in Deutschland.

Während der Hospitation bei der Crime Scene Investigation fiel mir zudem auf, dass die Spurensicherung im Vereinigten Königreich in vielen Fällen durch „Police Staff“ durchgeführt wird, also Angestellte ohne Polizeistatus. Sie übernehmen dennoch umfangreiche Aufgaben der Tatortarbeit, was im deutschen System so nicht vorgesehen ist. Dieser Ansatz entlastet zwar die Polizei spürbar, führt jedoch gleichzeitig zu einem deutlicheren strukturellen Abstand zwischen Ermittlungs- und Spurensicherungstätigkeiten.

Einen ganz anderen, aber ebenso prägenden Einblick erhielt ich bei der British Transport Police während eines geplanten Einsatzes an einer Londoner Bahnstation. Die BTP, als eigenständige nationale Polizeibehörde, überwacht sämtliche Bahn- und U-Bahn-Bereiche Englands, Schottlands und Wales. Bei Kontrollen mit Spürhund wurden zahlreiche Betäubungsmittel und Waffen aufgefunden, was deutlich machte, welche kriminalitätsrelevanten Schwerpunkte im britischen Schienenverkehr bestehen. Bemerkenswert war für mich, dass Personendurchsuchungen, anders als in Hessen, nicht zwingend gleichgeschlechtlich erfolgen müssen, sofern die betroffene Person zuvor belehrt wurde und nicht widerspricht. Auch hier zeigte sich die stärker pragmatische Ausrichtung des britischen Polizeirechts.

Ein besonders eindrucksvoller fachlicher Themenkomplex war die Arbeit der BTP im Bereich „County Lines“, einem zentralen Phänomen der organisierten Drogenkriminalität. Die Nutzung des Bahnverkehrs für den Transport von Drogen, Geld und zur Ausbeutung von Minderjährigen wurde mir hier eindrücklich anhand realer Fallbeispiele vermittelt. Der enge Bezug zwischen organisierter Kriminalität und Kinderschutz ist wesentlich stärker ausgeprägt als in vielen Bereichen deutscher Ermittlungsarbeit. Es wurde deutlich, dass britische
Behörden im Rahmen von Child Criminal Exploitation oder Modern Slavery gezielt interdisziplinär arbeiten und dass der Bahnverkehr als schneller und anonymisierter Transportweg eine Schlüsselrolle spielt.

Ein weiterer Schwerpunkt meines Praktikums war der Besuch des Fachbereiches RASSO in Bedfordshire, der schwerwiegende Sexualdelikte bearbeitet. Hier fiel mir besonders die institutionalisierte Opferbetreuung auf. Mit Einrichtungen wie den Sexual Assault Referral Centres (SARCs), in denen medizinische Versorgung, Spurensicherung und Beratung unter einem Dach stattfinden, verfügt Großbritannien über Strukturen, die es in Deutschland in dieser zentralisierten Form nicht gibt. Ergänzend unterstützen Victim Engagement Officers die Geschädigten während des gesamten Verfahrens. Zudem lernen Betroffene durch die gesetzlich verankerten „Special Measures“ gut geschützte Aussageformen kennen, etwa per Videovernehmung oder mit Sichtschutz im Gerichtssaal. Dieser umfassende Ansatz zur Vermeidung von Traumatisierung hat mich nachhaltig beeindruckt und zeigt einen Bereich, in dem Deutschland von britischen Standards profitieren könnte.

Weitere Hospitationstage verbrachte ich bei der Armed Policing Unit am Flughafen Luton sowie beim National Police Air Service in North Weald. Beide Einheiten präsentierten sich technisch modern, einsatztaktisch klar strukturiert und mit hoher Spezialisierung im täglichen Dienstgeschehen.

Abschließend blicke ich auf ein sehr lehrreiches und bereicherndes Praktikum zurück, das mir sowohl fachlich als auch persönlich neue Perspektiven geöffnet hat. Die britische Polizei arbeitet in einigen Bereichen stärker spezialisiert und pragmatischer, während die deutsche Polizei durch klare rechtliche Strukturen und einheitliche Ausbildungssysteme überzeugt. Die Kombination aus beiden Ansätzen könnte, so mein Eindruck, in vielen Bereichen zu Verbesserungen führen. Für meinen eigenen weiteren Werdegang nehme ich aus London
wertvolle Erfahrungen mit, die mein Verständnis polizeilicher Arbeit nachhaltig erweitern.