Im Rahmen meines Studiums an der HfÖV Bremen erhielt ich die Möglichkeit, ein freiwilliges Wahlpraktikum an einer Polizeidienststelle im Ausland zu absolvieren.
Die Landes- und Verbindungsstellenleiter Tim Gelineck und Jesper Theis der IPA Bremen stellten den Kontakt ins Vereinigte Königreich her und standen mir durchgängig beratend zur Seite.
Nach ersten Koordinierungsgesprächen arbeitete der stellvertretende Leiter der IPA Sektion UK, Sgt. Chris Duncombe, einen Ablaufplan aus, der auch als Blaupause für spätere Besuche anderer Mitglieder dienen sollte. Am Ende der Planung stand ein sechstägiges Programm, das sich sehen lassen konnte.
Ankunft – Chris nahm mich am Bahnhof Liverpool Street in Empfang und brachte mich zu meiner Unterkunft im Stadtteil Acton. Bei einem gemeinsamen Abendessen besprachen wir die bevorstehende Woche.
Tag 1 – Am ersten Praktikumstag, durfte ich Chris und sein Neighbourhood Policing Team der British Transport Police in Wembley begleiten. In erster Linie ist die Einheit für Präventions- und Schwerpunktmaßnahmen im Nordwesten Londons vorgesehen, unterstützt aber auch den Metropolitan Police Service bei Einsätzen im Bereich der U-Bahn. So ist sie bei Großveranstaltungen im nahegelegenen Wembley Stadium für die Gewährleistung des geregelten Zu- und Abströmens der bis zu 90.000 Besuchenden durch das Nadelöhr der U-Bahn-Station Wembley Park mitverantwortlich.
Während sich ein Teil des Teams um administrative Angelegenheiten, Berichterstattung und Schulvorträge kümmerte, durfte ich mit Chris und Nick auf Präsenzstreife in – dank erfolgreicher Polizeiarbeit nun ehemaligen – Brennpunktgebieten gehen.
Tag 2 – Am nächsten Tag nahm mich Chris, der über seine reguläre Tätigkeit in Wembley hinaus auch Taser-Ausbilder der BTP ist, zu einem Auffrischungskurs mit.
Auf einen Theorieblock mit Informationen, Statistiken, Merkhilfen, Erfahrungsberichten und Videoaufzeichnungen aus echten Einsätzen folgte eine Wissensabfrage.
Nach einer Pause begann der praktische Teil. Zunächst musste Treffsicherheit aus statischer Position und aus verschiedenen Distanzen bewiesen werden. Anschließend sollten die Teilnehmenden das korrekte Prozedere zur Beweissicherung nach einem Einsatz des Tasers demonstrieren.
Ein Ausbilder zog einen Schutzanzug an, sodass in Zweierteams dynamische Situationen trainiert, als Gruppe beobachtet und anschließend ausführlich nachbesprochen werden konnten.
Zum Abschluss musste sich jeder Teilnehmende noch zwei bewerteten Einzelszenarien stellen. Die vorrangigen Übungsziele bestanden in einem sicheren Einsatz des Tasers zur Selbstverteidigung und der Beachtung von Besonderheiten im Umgang mit vulnerablen Personen.
Tag 3 – Am Mittwoch wurde ich von Andy Marshall am Luton Airport abgeholt, der in der Grafschaft Bedfordshire liegt. Dort hat die Armed Policing Unit der tri-force Bedfordshire, Cambridgeshire und Hertfordshire einen von zwei Standorten. Die dort stationierten bewaffneten und taktisch geschulten Polizeidienstleistenden besetzen in Zweierteams mehrere Fahrzeuge. Ihr Aufgabenspektrum umfasst die Flughafensicherheit und risikoreiche Bedrohungslagen, u.a. mit bewaffneten Tatverdächtigen. Neben der Bestreitung der Kernaufgaben ist es den PolizistInnen aber auch erlaubt, auf niedrigschwellige Lagen und Einsatzanlässe zu reagieren, solange sie dort nicht gebunden werden und weiterhin für Notfälle verfügbar bleiben.
Nach einer kurzen Teambesprechung und einem Besuch des Lagezentrums in Hertfordshire wurden wir zum ersten Einsatz des Tages gerufen. Eine Teenagerin drohte, sich mit einer Rasierklinge selbst zu verletzen. Eine Streife schätzte das Risiko vor Ort jedoch als gering ein, sodass wir die Anfahrt abbrachen und den nächsten Einsatz übernahmen. Ein junges Reh war von einem Auto angefahren worden und musste erlöst werden. Nach Rücksprache mit der taktischen Beratung, die bei jedem Schusswaffengebrauch hinzugezogen werden muss, konnte der Schuss freigegeben und ausgeführt werden.
Während des Besuchs im Lagezentrum, erreichte uns ein weiterer Einsatz: Bei einer Wohnungsdurchsuchung war ein Gewehr unklaren Typs gefunden worden. An der Wache in Stevenage konnte das Luftgewehr schnell identifiziert und sicher gelagert werden.
Der letzte Einsatz des Tages führte uns in die fast 50 km entfernte Ortschaft Gamlingay. Eine Anruferin meldete, dass sie von ihrem Ehemann geschlagen und mit einem Messer bedroht worden sei. Vor Ort wurde die betroffene Wohnung gewaltsam geöffnet und der Tatverdächtige überwältig. Lokale Kräfte übernahmen die Einsatzstelle und wir rückten ab.
Tag 4 – Am Donnerstag ging es erneut nach Bedfordshire. Sgt. Slav Konopka holte mich vom Bahnhof ab und zeigte mir sein Revier.
Wir besuchten zunächst die Ortschaften Dunstable und Toddington, in denen sich Slavs Büro befindet. Das Gebäude der Kleinstwache teilt er sich mit der örtlichen Feuerwehr. Durch den regelmäßigen Austausch können Hinweise zu örtlichen Vorgängen schnell weitergegeben und unkompliziert um Unterstützung gebeten werden.
Von Toddington fuhren wir nach Kempston zum frisch renovierten Hauptquartier der Polizei Bedfordshire. Im dortigen Lagezentrum erläuterte mir Slav das Zusammenwirken von Funksprechenden, Beratenden und Führungskräften.
Ebenfalls in Kempston liegt ein Trainingszentrum, in dem wir Auszubildenden beim Üben von Selbstverteidigungstechniken zusehen konnten, sowie ein neuer Gewahrsamsblock, der durch die Fernsehsendung 24 Hours in Police Custody bekannt wurde.
Anschließend zeigte mir Slav noch die Polizeistation in Luton. Auf der Fahrt dorthin wurden wir nach Barton-Clay gerufen, wo eine Streife Unterstützung beim Transport eines Festgenommenen anforderte. Dieser stand im Verdacht, mit Betäubungsmitteln gehandelt und seine Partnerin geschlagen zu haben. Wir nahmen den Einsatz an und lieferten den Gefangenen in Luton ab. Nach einer kurzen Besichtigung der dortigen Räumlichkeiten endete mein Tag in Bedfordshire.
Tag 5 – Am Freitag wurde ich von TFO Jason Webb abgeholt und zur NPAS Airbase in North Weald gebracht, von der aus Tag und Nacht Einsätze im Nordosten Londons und an der angrenzenden Küste geflogen werden. Nach einer Sicherheitsunterweisung wartete bereits der erste Einsatz.
In der ländlichen Umgebung von Bedford gibt es mehrere Wohnsiedlungen, in deren Nähe zahlreiche Kraftfahrzeuge abgestellt wurden. Die Ermittler vermuteten, dass diese gestohlen worden waren oder in Zusammenhang mit Straftaten stehen. Die Besatzung sollte mit der hochauflösenden Bordkamera Übersichtsaufnahmen anfertigen und alle Kennzeichen erfassen.
Nachdem zwei Siedlungen abgeflogen waren, flog der Pilot noch eine dritte Örtlichkeit an, um Luftbilder für eine bevorstehende Hausdurchsuchung und die Vollstreckung eines Haftbefehls, aufzunehmen.
Unmittelbar nach Abschluss der Nacharbeiten (Tanken, Sichern der Aufnahmen, Führen des Flugtagebuchs…) erreichte uns ein Notruf: Eine gewalttätige Auseinandersetzung unter Jugendlichen, bei der ein Tatverdächtiger mit einem Messer bewaffnet gewesen sein sollte. Die Gegend wurde per Wärmebildkamera abgesucht und es konnten einige Verdächtige identifiziert werden. Eine Tatbeteiligung ließ sich durch Einsatzkräfte am Boden jedoch nicht bestätigen. Auch die Fahndung nach dem Fluchtfahrzeug verlief negativ und der Einsatz wurde beendet.
Wochenende – Am Wochenende trafen Chris und ich uns im Lightroom nahe des Bahnhofs King’s Cross und besuchten die Ausstellung The Moonwalkers über die Apollo-Mondmissionen. Am Abend zogen wir in einer nahegelegenen Gaststätte ein Zwischenfazit und überlegten, wie sich das Programm für andere Interessierte wiederholen ließe.
Tag 6 – Den letzten Praktikumstag verbrachte ich mit Sgt. Rey Ahmad und seinem Team der Drone Unit der British Transport Police.
Ihr Einsatzgebiet beschränkt sich auf Bahnstrecken im Bereich Hitchin. Rey erklärte mir, dass ihre Hauptaufgabe darin besteht, Zugstillstände durch externe Störungen (etwa Personen im Gleisbereich, Kabeldiebstahl oder Vandalismus) zu vermeiden. Da das Einsatzgebiet überaus weitläufig ist, gestaltet sich die Ergreifung von Tatverdächtigen oft schwierig. Dank des Einsatzes von Drohnen konnten jedoch viele Fahndungserfolge erzielt werden. Konkurrenz zu den Hubschraubern des NPAS sieht Rey nicht, da beide Einsatzmittel in unterschiedlichen Höhen operieren und sich somit ergänzen können.
Nachdem sich am Nachmittag besseres Wetter eingestellt hatte, nutzte das Team die Gelegenheit für einen Trainingsflug. Vor dem Start musste eine umfangreiche Checkliste abgearbeitet werden: Neben Regen und Wind müssen auch Luftrechtliche Regelungen eingehalten werden, wenngleich Notfälle einen verkürzten Check und Starts in suboptimalen Wetterbedingungen erlauben. Da der Pilot auf den Kamerafeed auf seinem Controller fokussiert ist, gehört zum Team auch ein Beobachter, der die Drohne visuell überwacht, auf Gefahren hinweist, nach außen kommuniziert und bei der Vor- und Nachbereitung assistiert. Während des Testflugs zeigte mir Rey die unterschiedlichen Kamerafunktionen und ihre jeweiligen Einsatzmöglichkeiten. Nach einigen Übungsaufgaben nahm der Wind erneut zu, sodass der Flug beendet werden musste.
Das freiwillige Praktikum in England war eine große Bereicherung für mich, und ich hoffe, die vielen neuen Eindrücke zu Arbeitsweisen, Einsatzmitteln und Problemlösungen in meine Arbeit als Polizist in Bremen einfließen lassen zu können.
Besonders positiv aufgefallen ist mir, wie flexibel und agil die Polizeien im Vereinigten Königreich auf Herausforderungen wie Personalknappheit und Gewaltkriminalität reagieren und dabei ihre Stärken wie Technologieoffenheit und Community-Nähe effektiv nutzen.
Auf persönlicher Ebene hat mich berührt, wie stark der Zusammenhalt innerhalb der Polizei, auch über Landesgrenzen hinweg, gelebt wird.
Der Austausch mit den Kolleginnen und Kollegen in Großbritannien war ein Höhepunkt meines Studiums. Ich würde mich freuen, die IPA Bremen erneut international vertreten oder Gäste aus dem Ausland begrüßen zu dürfen.
Mein besonderer Dank gilt Chris, dessen unermüdlicher Einsatz und besonnene Planung meinen Wunsch Realität werden ließen. Durch seinen herzlichen Empfang und die enge Betreuung meines Aufenthalts habe ich mich stets wohlgefühlt.
Für den spannenden Austausch, die entgegengebrachte Gastfreundschaft und die gewährten Einblicke danke ich auch dem Neighbourhood Proactive Team der BTP in Wembley (Operation Zarma), den Schießtrainern des BTP Force Headquarters in der Blundell Street, Andy Marshall und der APU Bedfordshire, Cambridgeshire und Hertfordshire, Slav Konopka und den Mitarbeitenden der Polizei Bedfordshire, Jason Webb und seinen Kollegen des NPAS – Eastern Region an der North Weald Airbase sowie Rey Ahmad und seiner Drone Unit der BTP in Hitchin.
SERVO PER AMIKECO
D. Müller








