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Frontex-Missionen: Urlaub auf Kosten des Dienstherrn?

Seit mehr als 5 Jahren gehen jedes Jahr zahlreiche Kolleginnen und Kollegen der Bundespolizei sowie der Landespolizeien für mehrere Wochen auf Lehrgang und in den Einsatz ins Ausland. Diejenigen, die am Dienstort in der Heimat den Dienst aufrechthalten müssen und sich um die Urlaubsquote sorgen sowie diejenigen, die in Vorgesetztenfunktionen sind und durch geeignete Maßnahmen den „Personalausfall“ kompensieren müssen, lassen sich auch heute noch häufig genug dazu verleiten, diese Einsätze als Urlaub zu bezeichnen.

Ich möchte versuchen, mit diesem Erfahrungsbericht in aller Kürze zu beschreiben, wie solch ein „Urlaub“ abläuft und beginne hiermit ganz am Anfang im Jahr 2016.

Wie alles begann

Damals fiel mir eine Stellenausschreibung für Auslandseinsätze mit Frontex auf und mein Interesse war schnell geweckt.

Im Ausland auch dienstlich tätig zu sein hatte schon lange einen besonderen Reiz für mich, aber Internationale Polizeimissionen kamen unter anderem aufgrund der erforderlichen Zeit aus verschiedenen Gründen nicht in Betracht. So startete ich im Jahr 2010 im Katastrophenschutzverfahren der EU und hatte 2015 die Gelegenheit, nach bestandenem Auswahlverfahren das erste Mal dienstlich, für drei Monate bei Europol in Den Haag zu hospitieren. Es waren gute Erfahrungen und die Gemeinschaft war, trotz oder wegen der verschiedenen „Kulturen“, etwas ganz anderes als in Deutschland.

Nachdem ich schließlich meine Bewerbung auf den Dienstweg gegeben hatte, durfte ich dann tatsächlich zum Auswahlverfahren in das Innenministerium. Ein Englischtest nebst Darstellung der eigenen Motivation und einige Fragen der Auswahlkommission waren zu absolvieren. Auch der eigene Werdegang wurde in die Eignungsfeststellung einbezogen.

Von der Vorbereitung zu den ersten Schritten im Ausland

Nachdem ich es bestanden hatte, dauerte es etwas. Im März 2018, also 1,5  Jahre später, sollte es schließlich soweit sein und ich durfte in die Ausbildung gehen – eine Woche Vorbereitung in Sankt Augustin. Neben „Hörsaalunterricht“ gab es ein erstes kleines „Highlight“, nämlich das Off-Road-Fahrtraining, dass aufgrund meines Profils „Border Surveillance“ vorgesehen war.

Kurz nach Abschluss des Seminars hieß es dann aber schon „Koffer“ bzw. Rucksack, Seesack und Einsatztasche packen. Da die Grenzüberwachung uniformiert und bewaffnet stattfindet, musste ich am Flughafen auch das erste Mal meine Dienstwaffe abgeben. Schauergeschichten von verschollenen Waffen waren in meinem Kopf – dieses Mal ging aber alles gut.

Im Einsatz 2022 hatte ich dann weniger Glück, denn die Waffe und das gesamte Gepäck – das Handgepäck ausgenommen – blieben auf der Strecke und erreichten den Flughafen mit drei Tagen Verspätung an meinem ersten freien Tag. So durfte ich mir auf der acht Stunden dauernden und 340 Kilometer langen Fahrt noch einmal das anschauen, was ich auf der nächtlichen Hinfahrt verpasst hatte.

Es waren schon beeindruckend schöne und interessante Orte und Eindrücke, die mich auch im Einsatz immer wieder nachhaltig beeinflussten. Nie zuvor habe ich zum Beispiel Armut und Wohlstand so weit auseinanderklaffen erlebt und doch so nah beieinander gesehen.

Damit alle eingesetzten „Officer“ auf demselben Stand sind, stehen zu Beginn des Einsatzes einige Briefings auf dem Plan.

Seitens des verantwortlichen Frontex-Officers werden die Regularien und die Rahmeninformationen zum Einsatz bekannt gegeben. Dieses Briefing findet in englischer Sprache statt und stellt somit keine Herausforderung dar.

Anders kann das folgende Briefing verlaufen, denn hier werden die Frontex-Kräfte durch die lokalen Kräfte eingewiesen. Je nach Einsatzland sind die Präferenzen für eine erste Fremdsprache unterschiedlich und so verrate ich nicht zu viel, wenn ich sage, dass der Online-Übersetzer im Einsatz ein sehr guter und wichtiger Freund ist.

Der lange Dienst in Kurzform

In „meinen“ Einsatzländern wurde der Dienst jeweils in 12-Stunden-Schichten gefahren, obwohl die selbst zu buchende Unterkunft, je nach Verfügbarkeit gerne auch mal eine Fahrstunde entfernt liegt. Berücksichtigt man hierbei dann noch die verpflichtenden Reporte nach dem Dienst sowie die erforderlichen sonstigen Vor- und Nacharbeiten, kommen schnell 14 Stunden zusammen. Wurden im Einsatz 2018 die Überstunden noch geschrieben, fand zwischenzeitlich eine Anpassung der gezahlten Tagessätze statt, so dass hierdurch unter anderem die Überstunden abgegolten sind.

Ich hätte früher nie gedacht, wie schnell man auf dem privaten Smartphone tippen kann bzw. können muss.

Es wurden Einsatzinformationen in diversen Gruppen gesteuert oder ganze Gespräche im Team geführt – da war er wieder, der Freund „Online – Übersetzer“.

Die Koordination der Unterstützungskräfte war beim Aufgriff größerer Gruppen tatsächlich eine Herausforderung, die nicht kleiner wurde, wenn die lokalen Kräfte sich als ortsunkundige nationale Kräfte herausstellten.

Die Teams bestanden immer aus einer deutschen Doppelstreife sowie einer Person aus dem Einsatzland.

Gerade in der Nachtschicht wurde man vor zahlreiche neue Herausforderungen gestellt. Obwohl man eine technische Einweisung in die Sonderausstattung bekam, zu der auch Wärmebildtechnik gehörte, ist das Handling im Dunkeln etwas deutlich anderes.

Auch Straßen und Wege, die man meint zu kennen, bergen manche Gefahren. Man muss mit jeglicher Art von Hindernissen rechnen und wenn man die bekannten Routen verlassen muss, darf man nie das zerklüftete und teilweise ausgewaschene Gelände unterschätzen – auch zu Fuß nicht.

In meinen (früh-) sommerlichen Einsätze waren die Tagschichten nicht weniger herausfordernd. Bei Temperaturen von teilweise über 36 °C ist jeder Sprint im häufig bergigen Gelände eine Herausforderung, aber selbst 12 Stunden mit minimaler Bewegung lassen einen am Abend das Bett deutlich rufen hören.

Aber wie war das nun eigentlich mit dem Urlaub?

Logischerweise hat man bei 12-Stunden-Schichten auch freie Tage – jeder vierte Tag ist frei. Und an diesen Tagen kann man tatsächlich fast alles tun, was man im Urlaub tut.

Manche fahren an den Strand, sofern einer in der Nähe ist, manche machen Sightseeingtouren in den häufig sehr alten Ländern, manche machen nichts und erholen sich und viele machen Sport.

Also irgendwie ist etwas an der Aussage zum Urlaub dran – zumindest jeden vierten Tag könnte man das Gefühl bekommen.

Der Autor:

Christian-Tobias Gerlach (43) ist 2. Sekretär der IPA Verbindungsstelle Lüneburg, Referent im Vorstand der Landesgruppe Niedersachsen und gehört dem Redaktionsteam des IPA magazis an. Seine bisherigen Frontex-Einsätze waren 2018 in Bulgarien und 2022 in Albanien und er gehört dem Frontex Soforteinsatzpool an.