Am Sonntag, den 27.11.2022 startete meine Reise nach Schottland, um eine Auslandshospitation im Rahmen meines Hauptpraktikums an der dortigen Polizeischule zu absolvieren. Diese trägt den Namen „The Scottish Police College“ und befindet sich in Tulliallan, ca. 60 Minuten von Edinburgh entfernt.
Bei meiner Ankunft am Flughafen in Edinburgh wurde ich herzlich von Omar und Diana begrüßt. Beide arbeiten in dem „Police College of Scotland (Tulliallan)“ und gehen dort ihren unterschiedlichen Tätigkeiten nach.
Bereits unmittelbar nach meiner Ankunft konnte ich einen ersten Eindruck von der Gastfreundschaft der Schotten erfahren.
Das Programm, welches mir am „Police College of Scotland“ dargeboten wurde und einen eindrucksvollen Einblick in die Polizei des Landes gewährte, belief sich auf fünf Tage (Montag bis Freitag).
Neben mir haben insgesamt zehn weitere Personen aus verschiedenen Regionen der Welt teilgenommen. Unsere Gruppe bestand demzufolge aus zwei Norwegern, einem Herrn aus Zypern und insgesamt acht Deutschen (zwei aus Berlin, zwei aus Niedersachsen, vier von der HfPol BW).
Diese Konstellation entpuppte sich als eine grandiose Möglichkeit, nicht nur Kontakte mit anderen Polizistinnen und Polizisten innerhalb und außerhalb Deutschlands zu knüpfen, sondern auch um grenzüberschreitende Erfahrungen und Erlebnisse zu teilen und so mehr voneinander zu lernen.
Bei dem fünftägigen Programm handelte es sich fast ausschließlich um Vorträge und Präsentationen, denen meine Gruppe und ich beigewohnt haben.
Bis auf zwei Veranstaltungen wurden die Vorträge in dem „International Study Visit“- Zimmer in der „International Academy“ abgehalten, bei dem verschiedene Redner*innen ihren jeweiligen Aufgabenbereich vorgestellt haben. Dazu gehören beispielsweise Vertreter*innen diverser Kampagnen („Your Wellbeing Matters“) oder Vereinigungen/Verbände (Scottish Womens Development Forum, Scottish LGBTI Police Association), aber auch Lehrkräfte der Schule.
Bei zwei Vorträgen wurden außerdem praktische Elemente eingebaut, weswegen ich einen davon aufgrund seiner spannenden Thematik gerne genauer beschreiben möchte.
Diese Präsentation trug den Titel „operational safety training / De-Escalation“ und wurde am Dienstag von einem der Einsatztrainer der Schule gehalten. Unter anderem wurden uns hier die verschiedenen FEM der schottischen Polizei und Taktiken der Deeskalation vorgestellt.
Eindrucksvoll war für mich persönlich die darauffolgende Demonstration einer Polizeikontrolle eines Herren, der sich in einem psychischen Ausnahmezustand befand und mit einem Messer bewaffnet war.
Zunächst folgte der erste „Schock“: In Schottland trägt die Streifenpolizei keine Waffe. Lediglich Pfefferspray, Schlagstock, Funkgerät und Handschließen gehören zur standardmäßigen Ausrüstung.
Nur speziell trainierte Polizistinnen und Polizisten dürfen eine Waffe tragen, dabei handelt es sich aber um „Spezialeinheiten“. Auch Taser werden von der schottischen Polizei eingesetzt, hier liegen aber ebenfalls dieselben Voraussetzungen wie bei der Waffe vor.
Anhand dieser Übung konnte ich die deutsche und die schottische Vorgehensweise miteinander vergleichen – in Schottland wird sehr viel Wert auf (deeskalierende) Kommunikation gelegt.
Auch in anderen Bereichen konnte ich teils verblüffende Unterschiede feststellen.
Während es in Deutschland eine einheitliche Mütze gibt, sieht es in Schottland anders aus: Hier gibt es, je nach Geschlecht, Unterschiede in der Kopfbedeckung.
Dies ist aber ein Thema, welches in der Vergangenheit bereits (v.a. von den Organisationen, die sich inhaltlich mit dem Thema Gleichstellung und Chancengleichheit auseinandersetzen), stark diskutiert wurde und auch immer noch diskutiert wird. Eine Baseball-Cap wurde vor einiger Zeit als geschlechtsneutrale Kopfbedeckung eingeführt.
Außerdem war sehr interessant zu erfahren, dass schottische Polizistinnen überhaupt keine Schminke tragen dürfen und dass der Dutt die einzige zulässige Frisur darstellt.
Gerade für mich als Studentin stellten zudem die Ausbildung, die einzelnen Prüfungen in dieser Zeit und aber auch die Einstellungsvoraussetzungen interessante Themen dar.
In Schottland gibt es lediglich eine Ausbildung, welche zwei Jahre dauert und für alle „probationers“ (= Auszubildende) gleich ist, sogar was sportliche Nachweise angeht. Hier wird nämlich nicht zwischen Frau und Mann unterschieden, sondern jeder hat hier dieselben Leistungen zu bringen.
Die Dauer der Ausbildung an dem „Police College“ beträgt zwölf Wochen, die gesamte Ausbildung bzw. die Probezeit beläuft sich jedoch auf insgesamt zwei Jahre.
Diese ist in unterschiedliche Module gegliedert, eines dieser Module wird beispielsweise auf einem Polizeirevier absolviert, bei welchem die „probationers“ von einem*einer Tutor*in begleitet werden.
Zu den Einstellungsvoraussetzungen, um in die schottische Polizei aufgenommen zu werden und mit der Ausbildung anfangen zu dürfen, zählt u.a. der Besitz des Führerscheins, oder aber auch das Mindestalter von 18 Jahren (bei Beginn der Ausbildung). Verblüffend war es zu erfahren, dass es nach oben hin keine Altersgrenze gibt – es muss aber ein Fitnesstest erfolgreich bestanden werden.
Ein weiteres Thema, welches den Schotten sehr am Herzen zu liegen scheint und welches auch mehrfach betont wurde, war das Verhältnis zwischen Polizei und Bevölkerung.
Deutlich wurde uns dies bereits am ersten Tag, als uns eine Tour des Schlosses und der Schule allgemein gegeben wurde: Auf dem Gelände konnte man zahlreiche Bürgerinnen und Bürger sehen, welche entweder mit ihrem Hund spazieren oder einfach so dort unterwegs waren.
Was ich persönlich als sehr innovativ befunden habe und daher gerne kurz vorstellen möchte, ist ein Mittel namens „Naloxone“.
Wie wichtig und vor allem was für ein „game changer“ dieses Mittel darstellt, wurde in einem Vortrag namens „Prevention (Drug Harm, Prevention and Naloxone)“ deutlich.
Hier wurden uns Fakten und Zahlen dargelegt: Schottland verzeichnet die höchste Rate der Drogentoten in ganz Europa.
Doch die schottische Polizei blieb dahingehend nicht untätig, sie initiierte die Beschaffung eines Hilfsmittels namens „Naloxone“.
Bei Naloxon handelt es sich um einen Wirkstoff, welcher die Wirkungen, die durch Opiate und Opioide verursacht werden, teilweise oder ganz aufhebt.
Äußerlich erscheint es wie ein Nasenspray, welches von vielen, leider noch nicht von allen, schottischen Polizistinnen und Polizisten getragen wird und im Notfall auch eingesetzt wird, um Menschenleben zu retten.
Wenn eine Überdosis von beispielsweise Heroin oder Methadon bekannt wurde, wird das „Nasenspray“ durch die Polizei selbst am Opfer eingesetzt – bisher kam es bei 94 Einsätzen zur Verwendung.
Naloxon soll benutzerfreundlich und vor allem für die Person, bei der es angewandt wird, unschädlich sein – es soll also lediglich positive „Nebenwirkungen“ haben.
Abschließend möchte ich noch ein wichtiges Zitat aufführen, welches sich auch an den Wänden unserer Unterrichtsräumlichkeiten befand und für mich persönlich sehr einprägsam war.
Es zeigt auf, was das gute Verhältnis mit den Bürgerinnen und Bürgern für die schottische Polizei bedeutet.
„The Police are the People.
The People are the Police.“
(Sir Robert Peel)
Fazit
Die Woche an dem „Scottish Police College (Tulliallan)“ war eine sehr eindrucksvolle Zeit, in der ich vieles über die Polizei des Landes lernen durfte und auch Einblicke in viele Bereiche bekam, die ich so nicht bekommen würde.
Auch zeigte mir das Gelernte einen anderen Blickwinkel auf verschiedene Themen und ich konnte vieles auch für meine eigene weitere polizeiliche Karriere mitnehmen.
Dass unsere Gruppe aus so unterschiedlichen Nationalitäten bestand, war für uns alle nicht nur von Vorteil im Sinne des Austausches von polizeilichen Erfahrungen und Erlebnissen. Auch im kulturellen und sozialen Bereich konnten wir vieles voneinander lernen.
Leider muss aber auch dazu erwähnt werden, dass diese Hospitation nicht ganz meinen Vorstellungen entsprach.
Ursprünglich war es geplant, bei der Polizei in Großbritannien zu hospitieren und dort beispielsweise im Streifendienst als „dritter Mann“ teilzuhaben.
Die Vorträge waren allesamt äußerst interessant und haben einen bemerkenswerten Einblick in die schottische Polizei gewährt, jedoch waren wir als Studierende die falschen Adressaten.
Die anderen Teilnehmer*innen, welche die Hospitation als Dienstreise antraten, waren hier die geeignetere Zielgruppe: Sie waren dort, um mehr über die Vorgänge in der schottischen Polizei zu lernen und dann ihre Erkenntnisse, wenn möglich, auf der eigenen Dienststelle umzusetzen.
Für mich als Studentin dagegen wäre interessant gewesen, einem SHT beizuwohnen, den „probationers“ beim Trainieren zuzuschauen, oder gar mal ein schottisches Polizeiauto von innen zu sehen.
Da ich mich auf den Streifendienst bzw. auf praktische Erfahrungen in Schottland gefreut habe, war es in dieser Hinsicht ein Rückschlag.
Nichtsdestotrotz boten uns die Mitarbeiter*innen am „Police College of Scotland“ eine unvergessliche Zeit, in der sie alles taten, um uns ihre Werte und Kultur näherzubringen. Ich konnte viel Neues in Erfahrung bringen und mein Wissen um viele Dinge erweitern, nicht nur was die Polizeiarbeit in anderen Ländern angeht.
(Text + Bild: Alina F.)