Im Rahmen meines Hauptpraktikums von Oktober 2023 bis April 2024 durfte ich eine dreiwöchige Hospitation bei der italienischen Polizei in Rom absolvieren.
Warum habe ich meine Hospitation in Italien gemacht?
Aufgrund meines familiären Bezuges nach Italien und meinen damit verbundenen italienischen Sprachkenntnissen war es für mich schon lange ein Ziel, eine Hospitation bei der italienischen Polizei, vorzugsweise in Rom zu absolvieren. Mich interessierten die Parallelen, aber auch, was die italienische von der deutschen Polizei unterscheidet. Sicherlich kann die eine von der anderen Polizei etwas lernen. So unterschiedlich die beiden Länder und deren Polizeien auf den ersten Blick zu sein scheinen, haben sie doch grundsätzlich dieselben Aufgaben und stehen vor ganz ähnlichen Herausforderungen. Die Organisation und Vorbereitung der Hospitation erstreckten sich über einen langen Zeitraum und war durch manch bürokratisches Hindernis erschwert. PHK Lehberger der Hochschule für Polizei in Villingen-Schwenningen war mir hierbei eine sehr große Hilfe und war stets im Austausch mit der Deutschen Botschaft in Rom.
Während der Hospitation konnte ich dann verschiedene Organisationseinheiten der italienischen Polizei kennenlernen und einen Überblick darüber bekommen, wie die italienische Polizei aufgebaut ist. Des Weiteren konnte ich in Erfahrung bringen, wo im Gegensatz zur deutschen Polizei ihre Kompetenzen liegen. Ich durfte die italienischen Kollegen zu Demonstrationen, einer Rede von Papst Franziskus und vielen weiteren interessanten aber auch alltäglichen Einsatzanlässen begleiten. Durch den Tag beim “Commissariato Borgo“, welches primär für die Sicherheit im Vatikanstaat zuständig ist, hatte ich sogar die Möglichkeit direkt neben dem Papst zu stehen.
Zunächst noch ein kurzer Überblick über den Organisationsaufbau der italienischen Polizei, die sich grundsätzlich in vier große Säulen gliedert:
- Polizia di Stato: Sie ist eine Mischung aus unserer Landespolizei und einer Schutzpolizeidirektion. Sie untergliedert sich weiter in die Autobahnpolizei, Polizeireviere und eine Einheit, die ausschließlich die Sicherheit rund um den Bahnverkehr zuständig ist. Der Aufgabenbereich der „Polizia Ferroviaria“ nimmt nur einen Teil der Aufgaben wahr, welche in Deutschland bundespolizeiliche Angelegenheiten sind. Des Weiteren sind in der „Polizia di Stato“ Antiimmigrations-, Antiterrorismus-, Antimafia und Antidrogendezernate untergliedert. Weitere verschiedene operative Spezialeinheiten, wie die „UOPI“ (vergleichbar mit unserem SEK) und „NOCS“ (Pendant zur GSG9) sind hier ebenfalls untergliedert.
- Carabinieri: Sie sind nicht wie die „Polizia di Stato“ dem Innen-, sondern dem Außenministerium unterstellt. Sie sind eine militärische Polizei, was sich beispielsweise in den militärischen Diensträngen ihrer Angehörigen augenscheinlich offenbart. Sie sind ein Teil der italienischen Streitkraft des Militärs und haben in Friedenszeiten einen ganz ähnlichen, stellenweise sogar einen quasi identischen Aufgabenzuschnitt und Kompetenzen wie die Angehörigen der „Polizia di Stato“. Hauptunterscheidungsmerkmal ist, dass sie auch in kleinen Kommunen in ganz Italien zuständig sind, während die „Polizia di Stato“ ausschließlich in größeren Städten ihren Dienstbezirk hat. Anhand vom Beispiel Rom: Rom ist in drei große Zonen eingeteilt. Für die zwei großen Zonen ist „Polizia di Stato“ zuständig und für die Dritte, ländlich geprägte Zone die „Carabinieri“. Die Bezeichnung leitet sich übrigens vom in Gründungszeiten benutzten Gewehr, einem Karabiner, ab.
- Guardia di Finanza: Diese Einheit ist unter anderem für Wirtschaftskriminalität in ganz Italien zuständig und führt Straßenkontrollen durch, um unter anderem Geldflüsse der organisierten Kriminalität (z. B. Mafia) zu erkennen und diese zu analysieren. Man könnte sie im Vergleich zu Deutschland als eine Art Mischung zwischen der K3, K6, Finanzamt und Zollfahndung verstehen.
- Penitenziaria: Die vierte Organisationssäule ist die des Strafvollzuges. Diese ist -ähnlich wie bei uns in Deutschland die Justiz- zum Beispiel auch für Gefangenentransporte zuständig.
Unabhängig von diesen vier Hauptsäulen gehört auch die „Polizia Municipale“, also quasi die kommunale Polizei, die ausschließlich für Sicherungs- und Ordnungsdienste, Unfälle, Verkehrsregelungen und Überwachung des ruhenden Verkehrs zuständig ist, zum italienischen Polizeikörper. Deren Angehörige haben jedoch deutlich weiterreichende Kompetenzen und Eingriffsrechte als der in Deutschland vergleichbare Kommunale Ordnungsdienst (KOD) oder Gemeindevollzugsdienst. Die Kräfte dieser Einheit tragen Schusswaffen.
Grob überblickt kann man sagen, dass die italienische Polizei im Gegensatz zu der deutschen sehr zentral strukturiert ist. Föderalismus spielt in Italien in diesem Bereich keine Rolle. In Italien gibt es für jeden regionalen Bereich eine eigene Polizei und das Aufgabengebiet ist deutlich kleiner als bei uns. Es ist auch vorgesehen und aus nachvollziehbaren Gründen gewollt, dass beispielsweise Polizeibeamte bei
Antimafiaeinheiten in ganz Italien eingesetzt werden können und nicht nur Bundesland weit wie in Deutschland.
Nach diesem groben Überblick über die Organisation möchte ich noch einen Einblick in meinen Tagesablauf während meiner Zeit bei der italienischen Polizei geben:
In der ersten Woche wurde mir die Zentrale der „Direzione Centrale della Polizia Criminale“ nähergebracht. Hier sind unter anderem das Antimafia-, Antiterrorismus und das Antidrogendezernat untergliedert. Diese Dezernate decken einen großen Teil der schweren Verbrechen und organisierten Kriminalität in Italien ab. Hier habe ich Eindrücke bekommen, die ich mir niemals hätte vorstellen können. Es ist erschreckend wie präsent und wie einflussreich Familienclans, wie beispielsweise die Mafia, noch immer in Italien sind. Es bilden sich immer wieder neue Verflechtungen, die meist aus familiären
Strukturen bestehen. Eine neu wachsende und auch sehr gewaltbereite kriminelle Vereinigung besteht überwiegend aus albanischen Mitgliedern. Weil ich deutscher Polizeibeamter bind, haben mir die italienischen Kollegen mehrfach verdeutlicht, wie einfach es für italienische Clanmitglieder zu sein scheint, von Deutschland aus zu agieren.
In der zweiten Woche wurde ich zum Wochenstart von einem mir persönlich zugeteilten Fahrer, ein Polizeibeamter, chauffiert, der mich zu meinen verschiedenen Stationen gefahren und auch wieder abgeholt hat. Auch nach Dienstende stand er mir freundlicherweise bei Fragen Rede und Antwort. Er erklärte mir auch Hintergründe zu Ausbildung und Studium der Polizei, welches er gerade selbst erst abgeschlossen hatte. Seine Aufgabe nach seinem abgeschlossenen Studium ist derzeit der Fahrdienst für
hochrangige Polizeikräfte, Prominenz oder eben Besuch aus dem Ausland. Durch ihn habe ich erst so richtig die Zusammenhänge zwischen den verschiedenen Polizeieinheiten und die Strukturen innerhalb der Polizei verstanden. Nach Feierabend hat er mir noch die ganzen Sehenswürdigkeiten von Rom im Schnelldurchlauf nähergebracht.
Des Weiteren konnte ich in dieser Woche noch die Bereitschaftspolizei der „Polizia di Stato“ und die der „Carabinieri“ sehen. Man hat mir alle Fahrzeuge, FEM, inklusive verschiedenster Waffen und Trainingsmethoden gezeigt.
Unter anderem nutzen nicht nur Spezialkräfte in Italien Elektrotaser. In der dritten und letzten Woche war ich im FLZ der „Polizia di Stato“ von Rom. Hier konnte ich eingehende Notrufe mithören und verstehen, wie die Zuständigkeit zwischen „Polizia di Stato“ und „Carabinieri“ in Rom funktioniert. Für mich war es neu -und zugegeben etwas befremdlich- dass Bürger am Notruf zunächst bei einer Vermittlungsstelle „landen“, bei welcher der Bürger sein Anliegen zu schildern hat und dann je nach Zuständigkeit an die „Polizia di Stato“ oder die „Carabinieri“ verbunden wird.
In derselben Woche war ich – wie oben erwähnt- beim „Commissariato Borgo“, welches für den Vatikanstaat zuständig ist. Wir sperrten für die wöchentliche Rede seiner Heiligkeit Papst Franziskus das gesamte Vatikangelände ab und übernahmen ordnungspolizeiliche Aufgaben. Die Kommissariatsleiterin (vergleichbar mit einer Revierleiterin) ermöglichte mir die Möglichkeit dem Papst ganz nahe zu kommen. Wir waren nur knapp einen Meter voneinander entfernt, während neun persönliche Sicherheitskräfte ihn schützten. Er gehört zu den Top 10 der am bestgeschützten Personen auf der Welt. Eine Vielzahl von
Sicherheitskräften verschiedener Polizei- und Militäreinheiten sind täglich für seinen Schutz rund um die Uhr im Dienst. Interessant war es, dass einer der persönlichen Leibwächter des Papstes, neben dem ich stand, bereits beim Papstbesuch 2011 in Freiburg dabei war. Ich erkannte ihn auf einem Bild von damals wieder. Damals war seine zu schützende Person allerdings Papst Benedict der XVI, wie man auf dem Bild sieht. An zwei Tagen in der Woche, an welchen der Papst über die aktuellen Weltgeschehnisse vom Vatikansgebäude aus spricht, sind weitere Einheiten, wie beispielsweise Kräfte der „UOPI“ im Dienst. Im Gegensatz zu unserem SEK sind diese Kräfte in der Regel ausschließlich im Vatikanstaat im Einsatz.
Die „Polizia di Stato“ hat in ihrem Fuhrpark zwei besondere Dienstwägen: zwei blauweiße Lamborghini Urus im Wert von jeweils mehreren hunderttausend Euro. Ferner gehört auch ein Lamborghini Aventador zum Fuhrpark der italienischen Kollegen. Dieser kommt bei sehr eiligen Organ- oder Personentransporten zum Einsatz von besonders geschulten Kollegen.
Die Verständigung mit den Kolleginnen und Kollegen erfolgte ausschließlich in italienischer Sprache. Wenn man mich heute fragt, welche Polizei besser funktioniert, antworte ich, dass sich die Polizei in Italien und auch in Deutschland im Lauf der Zeit an die Gegebenheiten, rechtliche Voraussetzungen und das Verhalten der Bürger angepasst haben. Beide funktionieren gut, was aus meiner Sicht als sehr positiv zu werten ist. Ohne dass ich es genauer weiß, kann ich mir vorstellen, dass unsere 16 Landespolizeien sich ebenfalls in einzelnen Bereichen wesentlich unterscheiden oder reagieren.
Ich hoffe, dass ich durch diesen kleinen Erfahrungsbericht Einblicke in meine außergewöhnliche Hospitation bei der italienischen Polizei vermitteln konnte. Falls irgendjemand mehr wissen möchte oder Fragen hat, zögert nicht mich zu kontaktieren.
Mit kollegialen Grüßen
Gianluca