Als Leiter des Akademischen Auslandsamtes der Hochschule für Polizei Baden-Württemberg sind funktionierende Auslandskontakte für mich von großer Bedeutung. Denn nur so lassen sich unsere Studierende ins Ausland vermitteln. Diese Möglichkeit bietet sich den Studierenden im vierten, fachpraktischen Semester, in dem sie für die Dauer von bis zu drei Wochen eine polizeiliche Einrichtung im Ausland besuchen dürfen. Die Schwierigkeiten, die hier bestehen, ist der Zugang zum jeweiligen Land. Bestehen bei einigen Ländern wie Spanien, Großbritannien, der Schweiz, Österreich und Frankreich langjährige Kooperationen und wechselseitige Austauschprogramme, ist der Zugang zu einem „neuen“ Land teilweise problematisch. Gründe liegen oftmals in der Motivation desjenigen, der die Anfrage bearbeitet. Viele Anfragen bleiben schlichtweg unbeantwortet. Umso erfreulicher war die erfolgreiche Kontaktaufnahme mit Estland. Denn hier zeigte sich wieder einmal, wie wertvoll sich das Netzwerk der International Police Association (IPA) darstellte, in dem ich mich auch als Beisitzer der Hochschule im Vorstand der Verbindungsstelle Villingen-Schwenningen befinde. Denn über die IPA-Wege konnte sehr unkompliziert eine Videokonferenz mit dem Präsidenten der IPA Estland – Uno Laas – und dem Leiter des International Office der Estonian Academy of Security Sciences (EASS) – Mihkel Miller, durchgeführt werden. Im Ergebnis waren sich alle über die Erfolgsaussichten einer Kooperation zwischen Baden-Württemberg und Estland einig und so wurde ich zu einem Sondierungsbesuch nach Estland eingeladen um die Möglichkeiten für künftigen Kooperationen zu erkunden.
Im Juni flog ich dann nach Tallinn. In den kommenden Tagen empfing mich eine herzliche Gastfreundschaftlichkeit auf einer Reise von der EASS über den Border Guard Stützpunkt in der Grenzstadt Narwa, zum Polizeirevier Narwa bis hin zu einem Verkehrssicherheitstraining für Polizeibedienstete.
Für eine Kooperation der Hochschule mit Estland sprechen nicht nur die bilateralen Beziehungen, die eng und freundschaftlich geprägt sind und sich der politische Dialog vertrauensvoll und intensiv darstellt. Deutschland und Estland feierten im Jahr 2021 den 100. Jahrestag ihrer diplomatischen Beziehungen und den 30. Jahrestag der Wiederherstellung dieser Beziehungen. Was mir sofort aufgefallen ist, ist die freundliche und offene Art der Kolleginnen und Kollegen, die ich auf meiner Estlandreise kennenlernen durfte. Es ist sicherlich nicht selbstverständlich, dass man sich so herzlich und intensiv die Zeit nimmt, um einem ausländischen Vertreter seinen Arbeitsbereich vorzustellen. Und das in Anbetracht der gegenwärtigen stets präsenten Gefährdung durch den „Nachbarn““, der sich nur wenige Meter auf der anderen Uferseite der Narwa befindet.
Insbesondere die innovative und technisch hochentwickelte Polizei Estlands könnte für die Polizei Baden-Württemberg ein Vorbild sein. So gewann die Estonian Police and Border Guard Board (PPA) bereits den Preis für die „best innovative technical solution at the Europol Excellence Awards in Innovation“.
Eine besondere Stellung nimmt Estland seit Beginn des Ukrainekrieges als direkter Anrainerstaat zu Russland ein.
Die Narva bildet die Grenzlinie zwischen Estland und Russland. Der Fluss markiert zugleich die östliche Außengrenze von EU und Nato.
So stand auch die Border Guard Station in der Grenzstadt Narwa auf dem Besuchsprogramm, die für die Überwachung der Außengrenze mit u.a. 17 Booten zuständig ist.
Beeindruckend war auch die Estonian Academy for Security Sciences in der Hauptstadt Tallinn, die für die Ausbildung unter anderem der estnischen Polizeibeamtinnen und Polizeibeamten aber auch Gefängniswärterinnen und Gefängniswärter verantwortlich ist und eine herausragende bauliche und technische Umgebung hierfür bietet. Es finden sich hier u.a. der Nachbau eines Gefängnistraktes als Übungsumgebung.
In zahlreichen Besprechungen und Einzelgesprächen wurden Möglichkeiten für Kooperationen angedacht. Bereits während der Rückfahrt aus Narwa konnte ich eine Studierende der Hochschule erfolgreich nach Estland vermitteln. Zehn weitere Interessierte meldeten sich in den Tagen danach.
Am Ende der Reise kann ich auf eine gelungene Zeit zurückblicken, die noch vielen weiteren Studierenden und IPA-Mitgliedern den Weg für Reisen nach Estland bereitet haben dürfte.
Für diese Möglichkeit danke ich der IPA und den Kolleginnen und Kollegen in Estland.