18 Monate Planungs- und Vorbereitungszeit. Knapp 60 Teilnehmer aus drei Ländern. 18 Fahrzeuge und eine Wegstrecke von mehr als 5700km in 12 Tagen. Die Aufgabe: Die Überführung von 18 Einsatzfahrzeugen des Rettungsdienstes und der Feuerwehr von Westeuropa nach Gambia zur Spende an die dortigen Behörden. Gesamtkosten des Projekts: Rund 200.000 Euro.
Nicht nur die Zahlen für dieses Projekt lesen sich beeindruckend, ebenso sehr war es die gesamte Reise als solches. Als intensiv und anstrengend kann sie beschrieben werden und ebenso als ein „Erlebnis, welches man in seinen Leben nicht mehr vergisst.“ Hier hatten die britischen Organisatoren nicht zu viel versprochen. Zum Thema Versprechen und Organisation werde ich später noch einmal zurückkehren. Doch der Reihe nach.
Das Projekt
Die Idee für dieses Projekt stammt von der britischen Wohltätigkeitsorganisation „National Police Aid Charity.“ Diese Vereinigung von Polizeibeamten im Vereinigten Königreich schickt schon seit etlichen Jahren Hilfsgüter um die Welt. Das Ziel der neuerlichen Lieferung sollte nun also Gambia werden. Da führende Mitglieder der „National Police Aid Charity“ auch Mitglieder der britischen International Police Association waren kam schnell die Idee auf, zur Durchführung auch auf deren Netzwerk zurückzugreifen. Über Kollegen aus England wurde das Projekt nun innerhalb der IPA in Europa beworben. Mitstreiter fanden sich in Spanien, Belgien und Deutschland. Hier wurde ich, in meiner Funktion als Mitglied des Bundesvorstandes und auf Grund meines persönlichen Interesses an der Mission als Projektleiter auserkoren. Während es Aufgabe der Briten war die Durchführung der Tour zu organisieren beschränkte sich meine Tätigkeit auf die Auswahl eines Teams und die Organisation von Spendengeldern und Fahrzeugen. Dies hört sich recht lapidar an, wurde jedoch in der finalen Phase des Projekts zu einem echten Vollzeitjob, in welchen die Projektteilnehmer mehrere hundert ehrenamtliche Stunden investierten.
Bereits zu Beginn des Projekts, stand dieses unter keinem guten Stern. Ursprünglich war die Durchführung für den März 2022 angesetzt, musste jedoch auf Grund der pandemischen Lage in Afrika auf Herbst 2022 verschoben werden. Kurz darauf stieg die NPAC aus dem Projekt aus und die Organisatoren der britischen IPA standen auf einmal alleine da. Trotzdem entschied man sich zur Fortführung des Projekts und es gelang den Briten innerhalb weniger Monate eine eigene Charity zu gründen und nach den britischen Gesetzen als solche zu zertifizieren. Die „Emergency Service Aid Charity (ESAC) war geboren. Eine beachtliche Leistung, wenn man bedenkt, dass dies zusätzlich zu Vollzeittätigkeit als Polizeibeamter und der weiteren Planung des Projekts geschehen musste.
In Deutschland konzertierte sich das Team derweil auf die Gewinnung von Spendengeldern und dem Ankauf von Fahrzeugen. Auf Grund der Flutkatastrophe im Ahrtal und dem Beginn des Ukrainekrieges gestaltete sich dies jedoch ebenso anspruchsvoll. Mehr als 100 individuelle Anfragen wurden an Unternehmen, Behörden, Stiftungen und Vereine gestellt.80 Prozent hiervon blieben unbeantwortet, der Rest wurde abgelehnt. Umso schöner war die Nachricht, dass der DRK Kreisverband Odenwaldkreis drei Rettungswagen spenden werde. Einer wurde, auf Grund einer konkreten Anfrage, an die IPA Ukraine überführt, zwei weitere standen für die Operation Zephyr zur Verfügung. Diese Spende und die Unterstützung der der IPA Deutschland, der Landesgruppen und der Verbindungsstellen waren der Durchbruch für das Projekt auf deutscher Seite. Daneben gelang es uns noch einen weiteren Rettungswagen günstig einzukaufen und ein gebrauchtes Feuerwehrfahrzeug kurzfristig für das Projekt zu ertüchtigen.
Alle Teammitglieder, insgesamt zehn Polizeibeamtinnen und Polizeibeamte, ein Justizvollzugsbeamter, natürlich allesamt in der IPA organisiert und ein Rettungsassistent und Mechaniker des DRK Odenwaldkreises, gingen bei diesem Projekt ein hohes Risiko ein. Neben 14 Tagen privatem Urlaub waren auch zunächst 3000 Euro Projektkosten pro Person vorgesehen. Durch die genannten Spenden gelang es uns schließlich diesen Betrag auf einen Eigenanteil von etwas über 1000 Euro abzusenken. Dies war jedoch zu Beginn nicht absehbar und umso bemerkenswerter ist nicht nur das Engagement der finalen zwölf Teilnehmer, sondern vielmehr auch das enorme Interesse von mehr als 60 Bewerbern.
Hervorzuheben ist ebenfalls das Engagement der bayerischen Polizei und ihres Innenministers, welcher relativ spontan nach Bekanntwerden des Projekts die Schirmherrschaft hierzu übernahm. Eine Unterstützung anderer Behörden oder Ministerien gab es leider nicht.
Die Reise
Am 14.September beginnt die Reise für die deutsche Delegation. Die Briten waren zu diesem Zeitpunkt bereits auf dem Weg nach Algeciras in Südspanien. Die Hafenstadt in unmittelbarer Nähe von Gibraltar war Startpunkt für die Überfahrt nach Marokko und die Weiterreise durch Afrika. Die Anreise für die deutsche Delegation hätte unterschiedlicher kaum ausfallen können. Während die eine Hälfte in Baden-Württemberg ihre Reise begann und recht problemlos mit ihren schnellen Rettungswagen mit einer Hotelübernachtung in der französischen Provinz am zweiten Tag ihr Nachtlager in einer Feuerwache in Barcelona erreichte und dort vom Nachtdienst zu Pizza und Eis eingeladen wurde hatte es der bayerisch-hessische Teil der Delegation deutlich schwerer. Mit dem langsamen Rüstwagen der Feuerwehr wurde bewusst eine frühere Abfahrt geplant, deren Vorteil sich jedoch auf der A8 in Pforzheim auflöste, als man sieben Stunden in einer Vollsperrung warten und schlussendlich die Nacht im Autobahnpolizeirevier Pforzheim verbringen musste. Ein Dank hierfür an die Hilfsbereitschaft der Kollegen des dortigen Nachtdienstes. Auch der letzte Rettungswagen, aus dienstlichen Gründen erst am späten Abend in München gestartet, schaffte es lediglich bis in die Goldstadt. Die Übernachtung in Barcelona kam auf Vermittlung der Vorsitzenden des European Network of Policewomen (ENP), der Polizeichefin der Stadtpolizei Barcelona, Montserrat Pina Martinez, zustande.
Entgegen der ursprünglichen Idee traf das deutsche Team nun erst zur dritten Übernachtung im spanischen Murcia zusammen. Dort hatte die dortige IPA Verbindungsstelle einen Abend organisiert, der wohl allen Teilnehmern lange Zeit in Erinnerung bleiben dürfte. Sowohl der herzliche Empfang und die Führung durch das Polizeihauptquartier, aber vor allem das opulente 4-Gänge-Menü in der präsidiumseigenen Kantine entschädigten für die bisherigen Reisestrapazen. Ohne weitere Zwischenfälle (auf deutscher Seite) führte die Reise am nächsten Tag nun zu besagtem Treffpunkt am spanischen Fährhafen. Zu diesem Zeitpunkt saßen ein Teil der britischen Fahrer noch in ihrer Enklave Gibraltar fest, da spanische Behörden Ihnen die Wiedereinreise verweigerten, nachdem sie bereits das komplette Land durchquert hatten. Ein Zwischenfall, der es bis in die britischen Medien schaffte.

Am frühen Morgen des 18. September wurde es nun ernst. Gegen 06 Uhr rollten die 18 Einsatzfahrzeuge auf die Fähre nach Tanger in Marokko. Während die Reise durch Europa eher einem entspannten Urlaubstrip glich, lag beim Briefing während der Überfahrt deutlich spürbar die Anspannung auf die zu erwartenden Abenteuer und Herausforderungen in der Luft. Diese begannen auch unmittelbar mit der Ankunft in Marokko und dem ersten Kontakt unseres vereinten Konvois mit den marokkanischen Zollbehörden. Zunächst wusste man gar nichts mit diesem Konvoi anzufangen und entschied am Zolltor spontan, dass eine Abfertigung am Sonntag nicht möglich sei. In der Folge fuhr man uns durch den ganzen Hafen zu einem weiteren Zolltor, welches jedoch erst in einer Stunde öffnen sollte. Nachdem wir dort zwei weitere Stunden zugebracht hatten, ohne dass es von Seiten der Behörden den Versuch gegeben hätte mit einer Abfertigung zu beginnen versuchten wir die Gründe hierfür in Erfahrung zu bringen. Transparenz war nun nicht gerade die Stärke des marokkanischen Zolls und so überschlugen sich Informationen und Meldungen. Zwischenzeitlich war ein Vertreter der marokkanischen Küstenwache hinzugerufen worden, welcher wenig amüsiert an seinem freien Tag in Freizeitkleidung bei unserem Konvoi erschien und sich eifrig Notizen machte. Bereits am Mittag erfolgte nun die Information, dass sowohl die Polizei- als auch die Zollbehörden entschieden hätten, dass wir das Hafengrundstück verlassen dürfen. Zu diesem Zweck wurden wir wieder zurück zu dem ersten Zolltor verbracht – wo man uns erneut die Ausfahrt verweigerte. Eine vernünftige Kontrolle der Fahrzeuge und Papiere hatte bis zu diesem Zeitpunkt nicht stattgefunden. Stattdessen begnügte man sich mit vorgefertigten Übersichtslisten der Fahrer und Fahrzeuge, respektive mit Listen die hätten vorgefertigt sein sollen, es aber leider nicht waren und nun umständlich von Hand geschrieben wurden. Bis weit in den Nachmittag zogen sich nun die Verhandlungen und Diskussionen zwischen den Verantwortlichen Zöllnern und den britischen Organisatoren, welche von Vertretern der katalanischen und deutschen Delegation unterstützt wurden. Auf Grund der widersprüchlichen Aussagen der Behördenvertreter und der allgemein verfahrenen Situation wurde unsererseits die deutsche Botschaft und durch diese der Honorarkonsul in Tanger verständigt, welcher ebenfalls vor Ort kam. Auch diesem gelang es nicht ein Licht ins Dunkel zu bringen. Ein Problem schien ein Teil der mitgeführten Hilfsgüter der Briten zu sein. Diese hatten als Spende für die gambische Polizei eine größere Anzahl Handschließen, Schutzwesten und Schlagstöcke im Gepäck. Ein Umstand den man den marokkanischen Behörden wohl besser im Vorfeld und nicht am Tag der Einreise mitgeteilt hätte, ebenso wie eine vollständige Inventarliste der mitgeführten Hilfsgüter. Man muss dies im Nachhinein ganz klar als Fehler einstufen, zumal all diese Informationen auf der Homepage der marokkanischen Behörden nachzulesen gewesen wären. Ob dies tatsächlich der Grund für unsere Blockade war, wird jedoch für immer unergründet bleiben. Jedenfalls bedeutete es für uns, dass wir ein Nachtlager im Hafengelände aufschlagen mussten. Und dass bereits an der ersten Grenze ein sehr empfindlicher Zeitverzug einsetzte.

Am nächsten Tag sprachen wir beim Behördenleiter der Zolls vor und schilderten unser Anliegen. Auch dieser machte uns noch einmal eindringlich auf unsere mangelnde Vorbereitung aufmerksam und entschied nun aber immerhin die Abfertigung der Fahrzeuge. So wurden diese entladen und alle Hilfsgüter den Beamten präsentiert und in einer weiteren Liste erfasst. Im Anschluss ging es für die Fahrzeuge durch das Röntgengerät. Mehrfach äußerten sich die Beamte positiv, dass wir am heutigen Tag den Hafen verlassen würden können. Gleichwohl kam es anders, da der Behördenleiter selbst die Berichte lesen und über unser Schicksal entscheiden wollte und sich bereits im Feierabend befand als diese zu ihm gesandt wurden. So mussten wir eine weitere Nacht im Hafen verbleiben. Gleichwohl gelang es den Teilnehmern mit Mobiltelefon, Bluetooth-Lautsprecherbox und den besten Hits der 90er und 2000er allen Widrigkeiten zum Trotz einen unvergesslichen Abend zu zaubern und die missliche Lage für eine Zeit lang zu vergessen.
Am dritten Morgen geschah nun erstmal nichts. Vor zehn Uhr werden im Hafen in Tanger offensichtlich keine Entscheidungen gefällt. Bis in die Mittagszeit zog sich dies, ehe man uns mitteilte: Alle Hilfsgüter müssen hier bleiben, dann dürfen die Fahrzeuge fahren. Schweren Herzens mussten wir uns also von der medizinischen Ausrüstung trennen um wenigstens die dringend benötigten Fahrzeuge nach Banjul bringen zu können. Die Stimmung hätte zu diesem Zeitpunkt schlechter nicht sein können und so entschieden sich vier Teilnehmer zu diesem Zeitpunkt die Mission zu verlassen. Ein nachvollziehbarer Gedanke, den zu diesem Zeitpunkt weitaus mehr Kolleginnen und Kollegen hatten, aber schlussendlich entschied sich der Rest für eine Fortführung der Mission. Da sich auch das Entladen der Fahrzeuge bis in den Abend hinzog konnten wir kurz nach Sonnenuntergang tatsächlich das Gelände verlassen. Zum einen mit einem Gefühl der Erleichterung, aber auch gleichfalls mit der Sorge um die weitere Reise. Nicht nur war die gesamte Zeitreserve aufgebraucht, wir hatten auch eine Verspätung von zwei Tagen und die vermeintlich schwierigen Grenzübertritte nach Mauretanien und in den Senegal standen uns noch bevor. Für die meisten Teilnehmer wurde nun das Zeitfenster bis zum Rückflug nach Europa und dem Urlaubsende empfindlich eng.

Ein wenig zur Entspannung konnte der folgende Reisetag beitragen, an welchem wir knapp 800km durch Nordmarokko und das Atlasgebirge zurücklegen konnten und gegen 23 Uhr unser Nachtlager erreichten. Nachdem am Vortag die meisten von uns in Zelten oder den Fahrzeugen geschlafen hatten freuten wir uns riesig über die gemieteten Bungalows und noch mehr über ein kühles Bier, welches das katalanische Team mit erheblichem Aufwand in der Innenstadt von Marrakesch organisiert hatte. Am nächsten Morgen wurden die zwei großen Konvois, mit welchem wir bislang gefahren waren, in vier kleinere geteilt und die deutschen Krankenwagen konnten nun erstmals losgelöst vom restlichen Konvoi agieren. Wir entschieden uns für einen frühen Aufbruch und übermittelten fortlaufend wichtige Informationen zur Strecke, wie beispielsweise Tankstellen, den Straßenzustand und Rastmöglichkeiten an die anderen Konvois. Zur Mittagszeit passierten wir Laayoun. Der katalanische Blitz hatte uns zu diesem Zeitpunkt bereits überholt und suchte bereits nach einem geeigneten Nachtlager. Es sollte der Rohbau einer Tankstelle inmitten der Wüste werden. Geschützt von örtlichen Armeekräften schlugen wir in den dortigen Garagen und Gebäuden unser Nachtlager auf. Obwohl dieses Nachtlager Selbstverständlichkeiten wie fließendes Wasser und jedwede Form von Komfort vermissen ließ, reichte es immerhin für ein tolles Abendessen unseres Teams zusammen mit unseren Nachbarn aus Katalonien. Gemeinsam bereiteten wir einen großen Topf Nudeln mit Chorizosauce zu. Als Tageshighlight steuerten wir Schokolade als Nachtisch und Knabbereien als Vorspeise bei.

Am nächsten Tag sah der Plan vor bis an die Grenze zu Mauretanien heranzufahren was Teilen des Konvois sehr gut gelang. So entschieden wir uns in Absprache mit den britischen Teilnehmern und – natürlich – den Katalanen noch an diesem Abend über die Grenze zu fahren und nicht auf den Rest des Konvois zu warten. Es erschien uns vernünftig den herausgefahrenen Zeitvorteil zu nutzen und die Modalitäten der Aus- und Einreise bereits vor den anderen Teilnehmern auszutesten. Festgestellte Probleme und Herausforderungen könnten so schon vor dem Hauptkonvoi entdeckt und hoffentlich beseitigt werden. Was folgte war eine recht problemlose Ausreise, vielleicht auch dadurch beschleunigt, dass wir einen Zollbeamten notfallmedizinisch versorgten, nachdem dieser von seinem Hund gebissen wurde. Hiernach stand die Fahrt durch das „No Mans Land“ zwischen Marokko und Mauretanien an. Zwei Kilometer über eine Schotterpiste der schlimmsten Art. Übersäht mit spitzen Steinen und knöcheltiefen Schlaglöchern. Gesäumt wurde die Straße von ausgebrannten oder verrosteten Fahrzeugen, Hinweisschildern für Minenfelder und ein ungeheuerlichen Menge Müll. Ein trostloser und verlassener Ort, der seine Eindrücklichkeit noch dadurch steigerte, dass die marokkanische Grenze nach uns geschlossen hatte und eine Aufnahme durch die Mauretanier keineswegs sicher erschien. Da sich zudem die Abendsonne über die Sanddünen legte und in der Ferne ein schwerbewaffneter Trupp Soldaten patrouillierte führte doch zu einer gewissen Anspannung über das bevorstehende Prozedere.
Rückblickend lässt sich sagen, dass die mauretanische Grenze zwar wahnsinnig langsam arbeitet und die Einreise in diesen Flecken Erde überaus teuer , die Grenze jedoch schlussendlich auf ihre eigene Art und Weise gut organisiert ist. Nach knapp vier Stunden hatten wir somit alle erforderlichen Papiere für eine Weiterfahrt (Visum 55 Euro pro Person, Passierschein 10 € pro Fahrzeug und 15 € Haftpflichtversicherung pro Fahrzeug). Eine kurze Nachtfahrt führte uns zu einem Campingplatz am Atlantik. Begleitet wurden wir durch den Besitzer des Campingsplatzes, was uns angesichts der Vielzahl an undurchsichtigen Straßensperren sehr beruhigte. Zu unserer Ernüchterung bot auch dieser Campingplatz nur fließendes Wasser bei Betrieb eines Notstromaggregates. Dieses wiederum machte das Einschlafen jedoch kompliziert…
Kompliziert war auch die Situation des Projekts. Der zweite Teil der Konvois übernachtete direkt an der Grenze und hatte es nicht mehr herübergeschafft. Erneut stand die Entscheidung an, ob wir auf diese Warten sollten oder unseren Vorteil nutzen, um möglichst schnell an die nächste Grenze zu kommen. Wir entschieden uns einstimmig für das letztere und durchquerten am nächsten Tag die Weite Mauretaniens. Hierbei blickten wir – neben der Wüste – auf ein offensichtlich bettelarmes Land und die Hauptstadt Nuakschott sollte mir als der bislang schmutzigste Ort meines Lebens in Erinnerung bleiben – jedoch nicht für lange Zeit. Mit zunehmender Fahrt in Richtung Süden veränderte sich immerhin die Landschaft. Aus einer kargen Wüste wurde eine grüne Steppenlandschaft. Neben Kamelen, Ziegen und Kühen bevölkerten auch einige Fahrzeuge die Straßen. Diese waren überwiegend in den späten 90er aus Europa hierhergebracht worden und fuhren seither ohne jede Pflege und von Rost bis zur Unkenntlichkeit zerfressen durch das Land. Es gilt die Faustformel: Wenn der Motor läuft, ist es fahrtauglich. Ein TÜV-Prüfer wäre hier vermutlich schon auf den ersten hundert Meter eines plötzlichen Herztodes gestorben und auch ich fragte mich nach der Notwendigkeit einer Haftpflichtversicherung für unsere Autos. Einerseits fuhren die Einheimischen Fahrzeuge größtenteils ohne Kennzeichen (auch ohne Licht, Scheibe, teilweise ohne Türen) zum anderen sahen die wenigsten Fahrzeuge danach aus, als ob sie einen ausreichenden Versicherungsschutz besitzen würden.

Am Abend erreichten wir schlussendlich die mauretanisch-senegalesische Grenze in Rosso. Getrennt durch den mächtigen Senegal Fluss, stand uns ein weiterer Grenzübertritt bevor als Highlight mit einer Überfahrt auf einer nicht gerade vertrauenserweckenden Fähre. Hierfür mussten wir die Dienste eines jungen Mannes in Anspruch nehmen, welcher für eine Gebühr von 10 EUR pro Fahrzeug die Zollabwicklung übernehmen wollte. Das funktionierte auch reibungslos, gleichwohl hatte ich währenddessen ein stets ungutes Gefühl einem völlig Fremden und nicht Offiziellen meinen Reisepass und meine Fahrzeugpapiere auszuhändigen. „This is Africa“ sagte ich mir bei der Übergabe und auch beim Auffahren auf die Fähre. Der Weg dorthin führte bei dunkler Nacht über eine 20 Meter lange Rampe, die jedoch auf Grund der Regenzeit in etwa knietief mit Wasser überspült war. Der Moment als die Scheinwerfer meines Krankenwagens in der dreckigen Flut des Flusses versanken und uns jegliches Licht nahmen, während unser Fahrzeug ein wenig zu stottern anfing war einer der Momente, die ich lange nicht vergessen werden. Nach wenigen Sekunden war der Spuck auch wieder vorbei und wir fuhren die Rampe zu der Fähre hoch. Die zehnminütige Überfahrt kostete den stolzen Preis von 160 EUR pro Fahrzeug.

Auf senegalesischer Seite herrschte das bekannte Chaos. Neben dem Stempeln der Pässe, im Senegal übrigens verbunden mit der Abgabe seiner Fingerabdrücke und eines Fotos, und der Ausgabe der Fahrzeugpapiere mussten wir uns auch um eine Autoversicherung kümmern, welche wir gegen Mitternacht in einem kleinen Supermarkt abschlossen. Daneben mussten wir auch noch eine Gebühr für das Verlassen der Grenzgeländes – eine Durchfahrtsgebühr für die anschließende Gemeinde – in Höhe von 10 EUR entrichten. Gleichwohl waren wir nicht frei. Obwohl wir alle Auflagen erfüllt hatten, war zu dieser späten Stunde kein Entscheidungsträger mehr zu erreichen und wir mussten uns mit einer Übernachtung auf dem Abstellplatz der Zollbehörden zufriedengeben. Jener Platz wiederum war wohl der absolute Tiefpunkt der Reise und selbst für die härtesten von uns ein wenig zu viel. Nicht nur, dass man teils knöcheltief im Schlamm einsank und der Platz in absoluter Dunkelheit lag, der Geruch nach Fäkalien und der unmittelbar anschließende Sumpf als Lebensraum tausender Moskitos machten diesen Aufenthalt zu dem erschütterndsten Erlebnis unserer Reise.

Wie üblich brachen wir also auf um erneut den Stationschef einer Grenze zu sprechen. Sein Arbeitsbeginn war gegen 10 Uhr und so konnte wir knappe vier Stunden später unsere Fahrt fortsetzen. Recht schnell war klar, dass wir die Grenze zu Gambia nicht erreichen konnten und ebenso schnell war sich der Konvoi einig ein schönes Hotel auf halbem Weg zur gambischen Grenze zu beziehen. Die Aussicht auf eine Dusche und ein richtiges Bett waren nach den vergangenen Tagen nachvollziehbar sehr hoch. So übernachteten wir in der senegalesischen Stadt Kaolak, wo wir gegen Mitternacht auch wieder mit zweiten Konvoi vereint wurden, welche es ebenfalls dorthin geschafft hatten.
Die letzte große Fahrt sollte frühzeitig beginnen und es gelang uns ohne Verzögerungen zur Grenze zu gelangen. Die Ausreise aus dem Senegal war ebenso eine Formsache, wie die Einreise nach Gambia, wo uns nun bereits gambische Polizistinnen und Polizisten freudig erwarteten. Wir hatten es geschafft. Bereits an der Grenze fielen wir uns in die Arme und waren Stolz über das Erreichte. Zu gleich drängten wir jedoch auf die Weiterfahrt nach Banjul, denn an dessen Ende sollte unser Hotelressort mit Pool, Meerzugang, Bar und Restaurant warten.

Gleichwohl versammelten wir uns für ein erstes Gruppenfoto. Bezeichnenderweise begann es genau in diesem Moment aus strömen zu Regnen. Innerhalb weniger Sekunden waren wir alle bis auf die Unterwäsche nass. Es war uns egal.

Im Konvoi ging es mit Sondersignal zum Fähranleger, welcher uns nach Banjul führen sollte. Die Stimmung und das Gefühl während der einstündigen Wartezeit dort am Pier sind in Worte kaum zu fassen. Merklich löste sich die Anspannung in den Gesichtern der Teilnehmer und all die Strapazen der letzten Tage und Wochen schienen in diesem Moment völlig vergessen. Uns allen wurde nun klar, dass wir es tatsächlich geschafft hatten! Und so lagen wir uns alle in den Armen. Menschen die sich vor 14 Tagen noch nicht gekannt hatten wurden zuerst zu einem großen Team und dann zu einer eingeschworenen Familie! Noch nie in meinem Leben habe ich etwas Vergleichbares gefühlt!

(Fotos + Text: Julian Sch.)